Wie Sie produktiver werden als Leonardo da Vinci


Kategorie: Managen
| 11.08.2015 | 3 Kommentare

Artikelbild Jetzt übertreibt er es aber, denken Sie vielleicht. Mag sein. Dennoch will ich - im Vergleich zu Leonardo ein unproduktiver Wurm - darlegen, warum Leonardo nicht so produktiv war, wie er hätte sein können. Dabei helfen wird mir sein Biograph Giorgio Vasari und der Meister selbst. Ich habe mit ihrer Hilfe drei Bremsen seiner Produktivität ausgemacht, vor denen ich Sie warnen möchte. Beginnen wir mit der ersten Bremse:


Bremse 1: Viele Interessen

„Leonardo da Vinci und produktiver?“, könnte man sich fragen. Er war ein weltberühmter Maler („Das Abendmahl“, „Mona Lisa“) und Bildhauer. Er war ein gefragter Ingenieur. Er forschte zu solchen Themen wie Medizin, Astronomie, Botanik, Geologie, Mathematik, Architektur, Musik. Er entwarf hubschrauberähnliche Fluggeräte. Er entwarf Kriegsmaschinen, unter anderem einen Taucheranzug für den Unterwasserkampf.

Er tanzte doch schon auf so vielen Hochzeiten! Ja, aber genau das war das Problem! Schauen wir, was Giorgio Vasari dazu sagt:
„Auch in den gelehrten Wissenschaften und in der Literatur hätte er Großes geleistet, wären seine Interessen nicht allzu mannigfaltig und wechselhaft gewesen, wie er denn immer wieder etwas Neues zu lernen anfing, ohne es zu vollenden.“

Giorgi Vasari: Leonardo, in: Derselbe: Lebensläufe der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten, Übersetzung aus dem Intalienischen von Trude Fein, Zürich 1974, S. 311-345 [im Folgenden: "Vasari: Leonardo"], hier: S. 313f.

Etwas später sagt er:
„Man sieht, dass Leonardo [...] vielerlei anfing und nichts richtig beendete. [...] Seine Interessen waren derart mannigfaltig, [...]“

Vasari: Leonardo, S. 317.

Auf einer Hochzeit kann man richtig gut und richtig lange tanzen. Auf zehn Hochzeiten ist dies nicht möglich. Selbst nicht für Leonardo da Vinci. Und erst recht nicht für Sie und für mich.

Also: In welchem Job sind Sie richtig gut? Welcher Job ist wirklich wichtig? Und welche Jobs und Aufgaben wollen und werden Sie künftig nicht mehr ausführen?


Bremse 2: Perfektionismus

„Doch in Wirklichkeit darf man wohl annehmen, dass dieser überragende Geist gerade durch die Großartigkeit seiner Ideen an ihrer Ausführung verhindert wurde, da er nach immer höherer Vollkommenheit und Vortrefflichkeit strebte.“ 

Vasari: Leonardo, S. 326.

Das muss ich gar nicht erläutern. Ich gebe Ihnen nur zwei Beispiele (es gäbe noch mehr) von Leonardo, die Giorgio Vasari anführt.

Das erste: Ein Reiterstandbild aus Bronze. Lesen wir, was Vasari dazu sagt:

„Er verfertigte auch das Modell dazu, aber es war so groß angelegt, dass es niemals ausgeführt werden konnte. Es gab einige, die meinten […], dass Leonardo es (wie andere Werke auch) absichtlich so begonnen hätte, um es nicht vollenden zu müssen, denn es schien von vornherein ausgeschlossen, eine Figur von derartiger Größe in einem Stück zu gießen.“

Vasari, Leonardo, S. 326.

Das zweite Beispiel: Das Ölbild vom Haupt der Medusa blieb unvollendet. Auch hier kann sich Giorgio Vasari einen Seitenhieb auf Leonardo nicht verkneifen:

"Doch da dies Werk viel Zeit erforderte, ließ er es unvollendet stehen, wie es fast bei allen seinen Arbeiten geschah.“

Vasari: Leonardo, S. 321
Haben Sie etwas gemerkt? „Wie fast bei allen seinen Arbeiten“ schreibt sein Biograph. Müsste er das auch über Sie schreiben?

Zum Glück kann er das nicht über diesen Artikel schreiben, den Sie gerade lesen. Denn diesen Artikel wollte ich erst schreiben, wenn ich für den dritten Abschnitt die Quelle für ein Zitat Leonardos gefunden habe. Seit Wochen bin ich nicht dazu gekommen. Ich veröffentliche den Artikel trotzdem.

Das widerstrebt mir zutiefst, aber besser ein 90-prozentiger veröffentlichter Artikel als ein 100-prozentiger nicht veröffentlichter Artikel. Wo können Sie - und vor allem Ihre Kunden und Vorgesetzten - mit weniger Perfektion leben? Ich weiß zum Beispiel, dass den meisten meiner Lesern die Quellenangabe egal ist.


Bremse 3: Viele Ideen (noch zu überarbeiten!)

Ideen? Was soll daran schlecht sein? Nichts! Doch von einer Idee, die nur eine Idee bleibt, hat niemand etwas.

Leonardo selbst sagte, dass ihm die Idee wichtiger sei als die Ausführung, wie zum Beispiel im Wikipedia-Artikel zu lesen ist (die Quelle suche ich, wie gesagt, noch).

Leonardo liebte es, Konzepte zu entwerfen. Er entwarf wie gesagt einen Hubschrauber. Umgesetzt haben das andere.

Was haben Sie lieber? Einen Koch, der eine tolle Idee davon hat, was er Ihnen kochen könnte? Oder nicht doch einen Koch, der Ihnen eine leckere Mahlzeit kocht?

Ich habe festgestellt: Händeringend gesucht werden nicht Leute, die gute Ideen haben (abgesehen von der Werbung, wobei selbst dort Ideen allein nicht reichen). Sondern die, die stark in der Umsetzung sind. Geniale Ideen haben viele. Gut umsetzen können wenige.

Sie und ich - wir wollen doch zu den Wenigen gehören, oder?

Also: Beschäftigen Sie sich weniger mit Ideen. Setzen Sie ein, zwei Ideen um, und zwar richtig. Und gut.

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Kommentare: 3

FT | 15:25 Uhr | 11.08.2015
Hallo Herr Lengen,

dieser Beitrag gefällt mir sehr gut. Das ist mir bei Leonardo auch schon immer aufgefallen - und ich habe es oft als Trost für mich herangezogen …

Zu Punkt 2 muss ich allerdings noch sagen: Perfektionismus kann auch das Problem des Chefs sein….v. a. wenn es mehr als 100 % perfekt sein soll. Darüber kann man jetzt diskutieren oder psychologische Abhandlungen schreiben - es bleibt dabei, dass es eine Bremse für die eigene Arbeit sein kann.

Zu Punkt 3: Idee ist nicht gleich "idea" (ein schon fast kunstphilosophischer Begriff der Renaissance) Zum Teil stand die "idea" damals tatsächlich höher als ihre Realisierung. Mir ist noch eine Vorlesung (90 Minuten) gut im Gedächtnis, in der mein damaliger kunsthist. Prof. zur "idea" der Renaissance dozierte, am Beispiel einer Zeichnung Raffaels - auch auf der Basis anderer, früherer Kunsthistoriker. (Erich Hubala, Hans Sedlmayr, Erwin Panofsky) Vielleicht finden Sie ja genau aus diesem Grund keine Quelle für Ihre These…

Vielleicht war der Grund für die Bremse ein anderer: Leonardo sah sich schon als "Künstler" und nicht mehr als Handwerker / "Umsetzer". Aber seine Umgebung war noch nicht soweit. Für die war er der Umsetzer, der besonders kunstvoll oder ideenreich war. Und in diesem Spannungsfeld zwischen eigenem und fremden Anspruch, zwischen Kreativität und der Notwendigkeit der Geldbeschaffung für die täglichen Dinge des Lebens liegt die eigentlich Bremse. Die kommunikative Unfähigkeit Leonardos mit diesen Spannungen und Anforderungen umzugehen.

Und da ich heute noch produktiver als Leonardo sein möchte, beende ich meine geistige Pause und setze meine Ideen um…;-))
Ralf Lengen | 15:34 Uhr | 11.08.2015
Ein genialer Kommentar!

Zum Punkt 2 muss ich Ihnen leider zustimmen: Perfektionismus liegt nicht immer in unserer Hand.

Besonders gefallen haben mir Ihre Ausführungen zum Konzept der Idee! Ich rieche das Holz der Vorlesungssäle!

Als Liebhaber der Literatur und der Schönen Künste bin ich natürlich geneigt, Leonardo recht zu geben. Aber mittlerweile orientiere ich mich eher an Ergebnissen.

Ein realer Pfannkuchen ist mir lieber als die Idee eines Pfannkuchens, egal wie lecker sich diese Idee anhört.
Christoh Granz | 10:06 Uhr | 12.08.2015
Hallo Ralf,

wieder mal ein toller und motivierender Artikel!

Und ich liebe deine Formulierung im Kommentar: "Ich rieche das Holz der Vorlesungssäle!" Da rieche ich es auch gleich. :-)

Viele Grüße,
Christoph
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