Viele Köche verderben den Text - und wie Sie das verhindern können


Kategorie: Schreiben
| 28.03.2014 | 3 Kommentare

Sie dürfen sich glücklich schätzen, wenn Ihre Texte von einer Person Korrektur gelesen werden, meinetwegen auch zwei Personen. 

Doch Sie haben mein Mitleid, wenn Ihre Texte von drei und mehr Personen Korrektur gelesen werden. Damit meine ich nicht Personen, die Druck- und Rechtschreibfehler ausmerzen. Davon können Sie gar nicht genug bekommen.

Nein, damit meine ich Personen, die - wohlmeinend oder nicht - streichen, hinzufügen und Inhalt sowie Ausdruck korrigieren, mit einem Wort: Ihren Text verändern. Denn leider gilt hier wie in der Küche: Viele Köche verderben den Text. Warum? Weil jeder Koch einen anderen Geschmack hat, wie der französische Schriftsteller La Bruyère sagt:

„Nach meiner Meinung ist nichts törichter und unmöglicher, als die Annahme, man könne beim Schreiben, mag die Kunst oder Wissenschaft dabei noch so groß sein, jeder Kritik entgehen und den rückhaltlosen Beifall aller seiner Leser davontragen.“

Jean de La Bruyère: Charaktere, die einleitende Rede über Theophrast, die ersten Zeilen

Was das konkret heißt? Endlose Korrekturschleifen, zum Beispiel weil der dritte Korrektor nicht mit den Korrekturen des ersten Korrektors einverstanden ist. Oder weil - das wurde mir mehrfach berichtet - der vierte Korrektor nicht mit den Korrekturen einverstanden ist, die er eine Woche vorher noch selbst empfohlen hatte.

Im Extremfall führt das Ganze laut La Bruyère zu folgendem Ergebnis

„Es gibt kein Werk, es mag noch so vollendet sein, das sich in den Händen der Kritik nicht völlig auflöste, wenn der Autor auf alle Beurteiler hören wollte, von denen jeder die Stelle streicht, die ihm am wenigsten gefällt.“

Jean de La Bruyère: Charaktere, Seite 34

Da haben Sie den Salat! Doch was können Sie dagegen tun?

1  Die Zahl der Korrigierenden reduzieren

Beknien Sie Ihre Vorgesetzten, dass der Kreis der Köche reduziert wird! Auf dieses Gespräch sollten Sie sich gut vorbereiten, idealerweise mit Text- und Korrekturproben. Am besten anonymisiert, denn es geht ja nicht darum, andere anzuschwärzen, sondern zu zeigen, wie ineffektiv der Prozess im Moment ist. Und weisen Sie nach, wie viel Zeit für das Korrigieren aktuell investiert wird.

Nicht vergessen: Legen Sie dar, wie Sie mit weniger Augen die Qualität Ihrer Texte garantieren.

Das kriegen Sie nicht durch? Dachte ich mir schon, daher hier vier weitere Tipps.


2  Die Aufgaben der Korrigierenden definieren

Wenn Sie schon mit zu vielen Köchen leben müssen, sollten Sie dafür sorgen, dass nicht jeder zu allem seinen Senf dazu gibt. Legen Sie also vorab fest, wer was Korrektur liest.

Der IT-Kollege darf also gerne sicher stellen, dass die IT-Fakten stimmen, mehr nicht. Wenn Sie wollen, können Sie natürlich auch weitere Verbesserungsvorschläge von ihm annehmen. Sie müssen aber nicht.


3  Richtlinien für den Text definieren

"Über Geschmack lässt sich bekanntlich (nicht) streiten" (allein schon darüber, ob das „nicht“ in diesen Satz gehört oder nicht!).

Lang anhaltende Diskussionen um den perfekten Text kosten Zeit - und sie führen zu Verstimmung und Ärger. Denn so mancher ist beleidigt, wenn seine Version nicht genommen wird. Doch wie können Sie sich wehren, ohne dass der andere es persönlich nimmt?

Hier helfen meiner Erfahrung nach Richtlinien für das Texten (z.B. „Keine Zitate mit mehr als drei Sätzen“) oder auch für eine bestimmte Textform (z.B. „Unsere Produktbeschreibungen enthalten immer zwei Praxisbeispiele“). Diese Richtlinien sollten so konkret wie möglich formuliert werden und nicht zu umfangreich sein.

Wichtig: Diese Richtlinien sollten von allen Beteiligten vorab festgelegt werden. Wenn es dann später zu einer Meinungsverschiedenheit kommt, können Sie sich auf diese Richtlinien berufen und müssen sich nicht über die unterschiedlichen Geschmäcker streiten.


4  Deadlines setzen

Was auch helfen könnte: Setzen Sie Deadlines! Am glaubwürdigsten sind diese Termine, wenn sie von außen bestimmt werden, z.B. von der Druckerei.

Damit verhindern Sie, dass sich die Korrekturschleifen endlos fortsetzen. Und im günstigsten Fall unterbleibt der ein oder andere Korrekturvorgang komplett, weil die lieben Kollegen bis zu dem festgesetzten Termin ja noch andere Sachen zu tun haben, die für sie  wichtiger sind.


5  Als Teil des Jobs ansehen

Das alles hilft wenig? Dann habe ich noch eine letzte Empfehlung für Sie: Nehmen Sie es nicht persönlich!

Sehen Sie es als Teil Ihres Jobs an, dass Sie die vielen Köche koordinieren müssen. Dafür werden Sie bezahlt! Und wenn der Brei nicht so ganz Ihren Geschmack trifft, dann ist er zumindest genießbar, weil Sie gelassen bleiben.


Ich hoffe, dass diese Tipps Ihnen dabei helfen, sich den Brei nicht verderben zu lassen. Guten Appetit!


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Kommentare: 3

Christoph | 09:56 Uhr | 31.03.2014
Du schreibst mir aus der Seele. :-) Danke für die Tipps. Besonders die Richtilinien gefallen mir.
Ralf Lengen | 10:21 Uhr | 31.03.2014
Dankeschön, lieber Christoph!

Noch etwas zu den Richtlinien: Es dürfen nicht zu viele sein. Lieber weniger Richtlinien und die besser erklärt.

Ich habe mir mal die Text-Richtlinien eines Kunden geben lassen. Darin stand u.a. die Bitte um Kürze. Nur: Die Richtlinien selbst waren 12 oder 15 Seiten lang!
Alexander | 18:46 Uhr | 07.04.2014
Es mag viele Unannehmlichkeiten geben, wenn ein Text zur Korrektur oder für Ergänzungen durch mehrere Hände gehen muss. Dein Artikel greift das auf anschauliche Weise auf. Zu loben sind hier nun auch einmal die technischen Hilfsmittel wie z.B. die Funktion "Änderungen nachverfolgen" in diversen Schreibprogrammen. Diese ermöglichen eine bessere Koordination der - um im Bild zu bleiben - vielen Köche. Jeder kann die \"Zutaten\" seines Vorgängers, farblich und zeitlich markiert, erkennen und eigene Änderungen vornehmen oder Kommentarfelder eingeben.
Auch ein Dokumentenvergleich ist heutzutage erheblich leichter geworden. Oft müssen mehrere Köche mitmischen, weil z.B. unterschiedliche Hierarchie-Ebenen mit jeweiligem Mitzeichnungsvermerk zu beteiligen sind. Wenn es also sein muss, dann bitte mit dem richtigen Werkzeug. Das macht den Brei bekömmlicher.

Herzliche Grüße,
Alexander M.
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