Warum Sie in Reden und Präsentationen zwischendurch sagen sollten, wo Sie stehen


Kategorie: Reden
| 15.12.2014 | 0 Kommentare

In meinen Schreibseminaren lege ich auf das Thema "Gliederung" großen Wert  in meinen Rhetorikseminaren ebenfalls. 

Bestärkt werde ich darin durch die Ergebnisse meiner unter den Teilnehmern durchgeführten Umfragen "Wann ist eine Präsentation eine gute Präsentation?" Einer der Spitzenreiter, wenn nicht sogar der Spitzenreiter heißt "Gliederung" bzw. "Agenda".

Glauben Sie also bitte nicht denen, die sagen, man solle eine Rede nicht gliedern und erst recht nicht die Gliederung ankündigen, weil man dadurch die Spannung nehme. Ich brauche hier nicht zu argumentieren. Mein Argument lautet: Ich bin immer auf der Seite der Zuhörer. Und wenn die sagen, sie wollen eine Gliederung, dann sollen sie eine Gliederung bekommen.

Dennoch darf es erlaubt sein zu fragen: Warum wollen die Zuhörer eine Gliederung? Die Antwort gibt der erste staatlich angestellte Rhetorikprofessor der Welt Quintilian. Lesen wir mal rein:


"Sie [die Gliederung] bietet dem Zuhörer auch Erholung [...]"

Quintilian: Institutio oratoria IV 5,22, Übersetzung durch mich

Erholung? Wieso das denn, Quintilian?


"[...] aufgrund der festen Abschlüsse der einzelnen Teile."

Ebenda


Wie bitte? Herr Professor, entweder ist Ihr Latein schlecht oder meine Übersetzung schief. Können Sie das bitte mal erläutern?  
 
"Das ist wie bei Reisenden: Ihnen nehmen die Entfernungangaben auf den Meilensteinen viel von ihrer Müdigkeit."

Ebenda

Wieso das denn?

"Denn es macht Spaß zu wissen, wie viel von der Anstrengung man bewältigt hat, und das Wissen darüber, wie viel noch übrig bleibt, spornt einen an, den Rest energischer zu bewältigen."

Ebenda, IV 5, 23

Jetzt habe ich Sie verstanden, Herr Professor. Das heißt also: Die Zuhörer freuen sich, wenn sie wissen, wie viel sie schon geschafft haben und wie viel oder besser: wie wenig noch vor ihnen liegt.

Ja, so ist es leider, auch wenn Redner das nicht gerne hören: Die Zuhörer sind froh, wenn es vorbei ist. Und zwar möglichst schnell. Auch bei guten Reden? Ja, auch bei guten Reden, sogar bei sehr guten.

Eine Rede oder ein Redner kann gar nicht so gut sein, dass es nicht immer etwas gäbe, was für den Zuhörer wichtiger ist. Zum Beispiel das Buffet (das meine ich ernst). Oder der Weg nach Hause. Oder etwas, was ihn gerade im Moment beschäftigt.

Hören Sie also auf Professor Quinitlian. Nennen Sie Ihren Zuhörern zu Beginn Ihre Gliederung, und sagen Sie Ihnen bei einem neuen Gliederungspunkt, wo Sie stehen.

Zum Schluss schlage ich Ihnen noch ein Experiment vor. Probieren Sie bitte mal den besten Meilenstein aus, den Sie in einer Rede oder Präsentation setzen können. Er besteht aus folgendem Satz

"Ich komme nun zum Schluss."

Tun Sie mir und Ihren Zuhörern den Gefallen und sagen diesen Satz (natürlich an der richtigen Stelle!). Und dann sperren Sie Ihre Ohren auf. Und was werden Sie hören? Ich sage es Ihnen:

Ein Aufatmen. Und nicht nur eines.


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