Warum Sie Zusagen bzw. Absagen aufschieben sollten


Kategorie: Managen Reden
| 22.01.2014 | 0 Kommentare

Der liebe Kollege bittet Sie um einen Gefallen, einen klitzekleinen Gefallen. Der ist so klitzeklein, dass es Sie drei bis vier Tage kostet, ihn umzusetzen.

Was tun? Sie haben zwei Möglichkeiten:
 

1) Zusage

Der Vorteil: Sie machen den Kollegen glücklich

Der Kollege freut sich (zumindest einige Sekunden)! Er hat einen Dummen gefunden.

Der Nachteil: Sie machen sich unglücklich und eine andere Person oder sogar den Kollegen.
Sie haben ein neues Projekt am Hals, das Sie daran hindert, ihre eigentlichen Aufgaben umzusetzen. Jetzt können Sie nur noch wählen, ob Sie ihre eigentlichen Aufgaben vernachlässigen (dann ist zusätzlich jemand anderer unglücklich) oder ob Sie diesen Gefallen nur mit halber Kraft umsetzen (dann ist gerade der Kollege unglücklich, den Sie im Moment der Zusage noch glücklich gemacht hatten).

Dann vielleicht lieber die zweite Möglichkeit? Hier ist sie:


2) Absage

Der Vorteil: Sie machen sich glücklich

Sie können sich auf Ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren. Sie haben weniger Stress.

Der Nachteil: Sie machen den Kollegen unglücklich (und sich damit auch!)

Der Kollege ist unglücklich, beleidigt, sauer usw. Das ist abträglich für die Beziehung. Und wenn Sie ihn demnächst um einen Gefallen bitten, dann kann er Ihnen den "leider" nicht tun. So ein Zufall!

Also egal, was Sie machen, irgendjemand ist immer unglücklich (es wird ja fast philosophisch hier).

Und jetzt kommt der Meistertrick: Es gibt eine dritte Möglichkeit. Vorgeschlagen hat sie Carl Hilty, ein Staatsrechtler aus der Schweiz, der zu den Lieblingsautoren Konrad Adenauers zählte:

„Sehr zweckmäßig ist oft die Uneinlässlichkeitsklausel. Mit einem »Wir wollen das erwägen«, »Man kann sich das ja überlegen« wird einstweilen guter Wille gezeigt, die Entscheidung jedoch verschoben und oft genug damit die ganze Sache erledigt. Der andere ändert inzwischen seinen Sinn, oder das Anliegen wird ihm gleichgültiger, während im Moment dieser Wille sein Himmelreich war.“

Carl Hilty: Über Menschenkenntnis, in: Ders.: Glück, Teil 2, Leipzig 1901, S. 109

 Der dritte Weg heißt also:

 3) Zusage / Absage aufschieben!

Was Hilty verspricht: Wenn Sie die Zu- bzw. Absage aufschieben, erledigt sich das Problem oft von selbst! Der Kollege findet jemand anderen, oder vielleicht ist das Projekt gar nicht mehr so wichtig oder oder.

Vorteil 1: Der Kollege ist glücklich
Vorteil 2: Sie sind auch glücklich.


Nachteil: keiner
Höchstens, wenn Sie das zu oft machen.

Aber funktioniert das wirklich so? Heute im Seminar meinte eine Teilnehmerin: Nein!  Jemand der frage, lasse sich nicht darauf ein, vertröstet zu werden. Außerdem sei er sauer, weil er vertröstet werde.
 

Der zufällige Praxis-Test

Und jetzt kommt es: Genau diese Teilnehmerin fragte ich kurz danach um einen Gefallen. Ich brauchte nämlich einen Klebstoff, der durchsichtig ist und auch auf Kleidung klebt., und fragte sie, ob sie mir einen solchen Klebstoff empfehlen könne.

Sie sagte mir daraufhin, dazu müsse sie einen Kollegen fragen, aber das ginge erst morgen. Stellen Sie sich vor: Sie verschob das Ganze! Sie war nicht bereit, sofort alles für mich stehen und liegen zu lassen, und ging in der Pause gemütlich Kaffee trinken, anstatt den Kollegen für mich anzurufen.

Nach der Pause kam doch tatsächlich eine andere Teilnehmerin und nannte mir einen passenden Klebstoff. Sie hatte meine Frage mitbekommen und ihre Mutter diesbezüglich angerufen. Und die hatte ihr einen Klebstoff empfohlen, der die von mir genannten Kriterien erfüllte. Ich war glücklich! Und die erste Teilnehmerin war auch glücklich! Sie musste jetzt nämlich niemanden mehr anrufen.

Also: Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen, auf eine Bitte sofort mit „ja“ oder „nein“ zu antworten! Warum auch? Sie schaffen damit doch nur Unglückliche! Bitten Sie um Bedenkzeit!

Am besten begründen Sie, warum Sie Bedenkzeit brauchen - z.B.: „Ich bin gerade in dem und dem Projekt, will mir deine Sache dann oder dann (einen konkreten Termin nennen!) gerne anschauen. Denn wenn ich mir das anschaue, dann gründlich. Damit ich, wenn ich Dir eine Zusage gebe, sie auch einhalten kann.“ oder „Das muss ich erst mit dem und dem absprechen“ oder oder ...

Was passiert: Der Fragende geht (hoffentlich! immer wird es nicht funktionieren) weiter und fragt den Nächsten. Damit kommt er schneller weiter, als wenn er sich lange mit Ihnen herumstreitet, ob es nicht doch geht. Für ihn ist die Hauptsache, dass er einen Dummen findet. Wer das ist, ist ihm egal. Eventuell löst sich der Fall auch so, ohne weiteres Herumfragen, wie im Klebstoff-Fall.


Eine Voraussetzung und eine Ausnahme

Achtung! Das alles funktioniert nur mit Ehrlichkeit. Ihre Begründung für das Verschieben muss ehrlich sein, und wenn Sie einen Termin setzen, bis zu dem Sie sich die Sache überlegt haben wollen, dann sollten Sie bis zu diesem Termin Ihre Entscheidung mitteilen! Und wenn Sie der fragenden Person den Gefallen tun können, dann tun Sie ihr diesen Gefallen!

Und noch etwas: Nicht aufschieben sollten Sie Ihre Entscheidung, wenn Sie von Ihren Grundsätzen her der Bitte nicht entsprechen wollen. Das sagt Carl Hilty im Anschluss an das obige Zitat:
 

„Nur in eigentlich unrechten Dingen trifft dies alles nicht zu. Da muss man nicht der Auffassung Raum geben, als ob man sich auch dazu verstehen könnte oder es für tunlich hielte, sondern im Gegenteil »den Anfängen widerstehen«.“

Carl Hilty: Über Menschenkenntnis, in: Ders.: Glück, Teil 2, Leipzig 1901, S. 109f.

So, das war die Ausnahme. Aber da es eine Ausnahme ist, hier nochmals die Empfehlung: Probieren Sie es doch mal aus, Ihre Zusage bzw. Absage aufzuschieben! Nicht immer (das kommt auch nicht gut), aber immer öfter!



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