Schreiben Sie es auf!

Zu klareren Gedanken kommen (Teil 2)
Kategorie: Schreiben
| 09.10.2017 | 0 Kommentare

Sie stehen vor einer größeren Verhandlung? Oder müssen ein wichtiges Telefonat führen? Oder Sie überlegen, in Ihrem Leben etwas zu ändern?

Ich verspreche Ihnen: Bessere Resultate werden Sie erzielen, wenn Sie Zeit investieren und Ihre Gedanken aufschreiben.

Warum? Damit Sie alle Ihre Gedanken beisammen haben und nichts vergessen? Das auch! Aber mein Punkt ist hier ein anderer: Damit Sie zu klareren Gedanken kommen. So hielt es auch der Krimi-Autor Eric Ambler:

„Ich gehöre zu denjenigen, die sich Klarheit am besten dadurch verschaffen, dass sie ihre Gedanken zu Papier bringen.“

Eric Ambler: Die Begabung zu töten, aus dem Englischen von Matthias Fienbork, Zürich 1988, Vorwort S. 16.


Schritt 1: Aufschreiben

Aha, Ambler verschaffte sich also Klarheit durchs Aufschreiben. Das können Sie und ich auch! Denn durchs Aufschreiben zwingen wir uns, Struktur in unsere Gedanken zu bringen. Wir geben ihnen Kontur, anstatt sie weiter im Kopf herumschwirren zu lassen. Wir müssen uns entscheiden, was wir wollen.

Bei persönlichen Themen kommt noch die therapeutische Wirkung hinzu. Es tut gut! Es tut gut, Leid und Verletzungen zu benennen und sich, soweit das geht, den Frust von der Seele zu schreiben. Wobei ich zunächst einmal davon ausgehe, dass Sie das nur für sich tun, wie zum Beispiel in einem Tagebuch.

Doch kommen wir zurück zum Geschäftlichen! In meinen Verhandlungsseminaren empfehle ich immer, vor dem Gespräch die eigenen Interessen und die der anderen Partei aufzuschreiben, am besten auch die eigene Strategie. Und bei Preisverhandlungen, sich Zahlen wie Ziel und Schmerzgrenze aufzuschreiben.

Und ob Verhandlung oder nicht: Setzten Sie sich vor wichtigen Telefonaten hin, und schreiben Sie auf, worauf es Ihnen ankommt und was Sie wie sagen wollen. Nebenbei tun Sie damit etwas für Ihr Selbstbewusstsein. Und ich muss wohl nicht betonen, dass Sie so ohnehin bessere Resultate erzielen. Noch besser wird es nach dem zweiten Schritt.


Schritt 2: Überarbeiten

In jedem meiner Schreibseminare - ja, ausnahmslos! - beobachte ich folgendes: Das Arbeiten am Text einer E-Mail oder eines Konzeptes kommt dem Gedanken zugute. Also, nicht nur, dass der Text einfacher und interessanter wird: Der Gedanke wird klarer, und zwar nicht nur für den Leser, sondern auch für den Verfasser (!). Stellen Sie sich das mal vor! In Nietzsches Worten:


„Den Stil verbessern – das heißt den Gedanken verbessern und gar nichts weiter.“

Friedrich Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches II, 2., Aphorismus 131; in: Nietzsche, Werke, Abt. 4 Nachgelassene Fragmente: Menschliches, Allzumenschliches (Bd.II), hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Berlin 1967.


D.h. wenn Sie an Ihrem Text feilen, feilen Sie zugleich an dem Gedanken, den Sie vermitteln wollen. Das Resultat: Der Gedanke wird klarer.

Mein Lieblingsbeispiel hierfür ist die Regel „Aktiv statt Passiv“.  Angenommen, es heißt in einem Text „Dann wird die Berechnung gestartet.“ Ich frage daraufhin „Wer startet die Berechnung? Oder geschieht das automatisch durch das System?“ — „Nein, nicht automatisch“, lautet die Antwort. — Ich frage erneut „Wer startet dann die Berechnung?“ — „….“ (= Schweigen). Mein Gesprächspartner fängt an zu überlegen (oft beginnen wir beide dann zu lachen). — Ich weiter: „Der Kunde? Oder der Kunde des Kunden?“ — Ich frage weiter, bis wir die Antwort haben. Und damit schließlich einen neuen Satz wie „Dann startet der Gärtner die Berechnung.“  (Ja, wie so oft ist es der Gärtner!).

Also: Geben Sie sich nicht mit dem ersten Entwurf zufrieden. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Ihr Gedanke noch nicht klar genug ausformuliert ist. So sagt Schopenhauer:


„Dunkelheit und Undeutlichkeit des Ausdrucks ist allemal und überall ein sehr schlimmes Zeichen. Denn in 99 Fällen unter 100 rührt sie her von der Undeutlichkeit des Gedankens …“

Arthur Schopenhauer: Ueber Schriftstellerei und Stil. Parerga und Paralipomena II 2, Nachdruck Zürich 1977, S. 571.


Und noch etwas: Begnügen Sie sich nicht mit Copy-Paste! Das wollte ich nämlich bei diesem Artikel zunächst auch tun. Einen großen Teil hatte ich nämlich schon anderswo publiziert. Aber irgendwie passte das nicht optimal zusammen mit dem, was neu hinzukam. Am Anfang siegte die Faulheit, am Ende das Bestreben, einen besseren Text zu schreiben.


Schritt 3: Veröffentlichen

Womit wir bei Schritt 3 wären. Soweit es sinnvoll ist und solange Sie nicht sich und anderen damit Schaden zufügen, veröffentlichen Sie das Ganze! Denn die Verbindlichkeit des Geschriebenen zwingt Sie dazu, exakter zu werden und Problematisches erneut zu durchdenken.

Und soweit es sich um Ihre Ziele handelt: Ihre Motivation wird höher sein, die gesteckten Ziele zu erreichen, wenn Sie diese öffentlich gemacht haben. Ein Ziel nicht zu erreichen ist mir jedenfalls peinlicher vor anderen als vor mir selbst.

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